[Vorspruch]
Laß mich trinken süß Vergessen!
Aller Gram entflieht und Zorn,
Wenn ich liebend mich versenke
In des Weines goldnen Born!
[Einleitung]
Der Wein, fürwahr, hat auch Philosophie!
Ich sprach’s und war in’s Denken ganz verloren.
Aufbau’n wollt‘ ich die rechte Theorie,
Doch mein Verstand war gänzlich eingefroren.
Da dacht‘ ich endlich: mit der Empirie
Schärft sich der Forscher seines Geistes Sporen:
Ich goß mir ein voll guten Weins ein Glas,
Und schlürfte denkend ein das edle Naß.
Da kam die rechte Praxis mir alsbald!
Denn aus des Glases goldner Tiefe blühte
Weiser Gedanken mir ein dichter Wald,
Und sonnenhell ward’s tief mir im Gemüthe.
Zuvor verworren, düster, öd und kalt –
Nun fühlt‘ ich, wie mein ganzes Sein erglühte.
Es kamen wieder alle guten Stunden,
Die jemals mich beim Becher froh gefunden.
Laßt euch die neue schwere Wissenschaft,
Die ich erfand, in muntern Versen sagen!
Doch will, dem strengen Regelzwang entrafft,
Der Wein mich fort in Knittelverse tragen:
Das, liebe Herrn, ist dithyramb’sche Kraft –
Wollt ob verrenkter Füße drum nicht klagen!
Zuerst, wie ich sie wahrhaft euch berichte,
Vom ersten Weinstock höret die Geschichte.
In des Paradieses Mitte,
Von des Cherubs Schwert bewacht,
Träumte unbekannt der Weinstock
Von zukünft’ger Heldenthat.
Aber als der Herr im Zorne
Faßte jenen Schreckensrath,
Rein zu waschen seine Erde
In der Sündflut Wasserbad,
Riß er einen zarten Senker
Von der Mutterrebe ab,
Nahm den zu sich in den Himmel,
Und bewahrt‘ ihn treu allda.
Und es sog die zarte Pflanze
Dort sich voll von Lebenskraft.
Himmelsdüfte, feuerkräftig,
Strömten in den ird’schen Stamm.
Doch als Gott sein Werk vollendet
Und die auserwählte Schaar,
Schwebend über grauser Tiefe
Gnädig nun erlöset war:
Stand mit stiller Klaggeberde
Noah noch, der Patriarch,
Denn er schaute wüst und einsam
Rings das Land vom Ararat.
Trauernd brach‘ er mit den Seinen
Opfer dem Erretter dar.
Aber durch des Regenbogens
Pforte stieg der Herr hinab,
Zu dem greisen Patriarchen
Hat er mild sich hingewandt:
Dir, vor Allen treu erfunden,
Schenk‘ ich meiner Gnade Pfand,
Denn ein neu Geschlecht auf Erden
Wird durch dich nun angepflanzt.
Seinen Kampf muß es vollenden,
Und der Kampf ist schwer und bang.
Labsal sei ihm drum geboten,
Das die Vorwelt nicht gekannt,
Das die Lust des Paradieses
In das Erdendunkel bannt.
Lied und Liebe sollen quellen
Aus des Rausches Jugendkraft,
Und im Becher soll versinken
Blut’ger Schmerz und dunkler Gram:
Bis die bangersehnte Stunde
Ewiger Erlösung naht,
Bis zuletzt als Liebesbrunnen
Purpurblut im Kelche strahlt,
Und die Welt ihr höchstes Leben
Trinkt im Wein des Abendmahls.
Du auch selbst wirst jung noch werden,
Greis, in deinem grauen Haar,
Wenn in Haupt mit Röthe färbet
Dieser Rebe heißer Saft!
Sprach’s, und eine tiefe Furche
Zog er in des Felsen Wand,
Und den Weinstock pflanzt‘ er selber
Segnend in das feuchte Land.
Aber wie von Einem Berge
Sich ergießt der Ströme Zahl,
Der nach Süden, der nach Norden,
Osten, Westen, hingewandt:
Also strömte Lebensfreude
Aller Welt seit jenem Tag
Aus der kleinen zarten Rebe
Auf dem Berge Ararat.
Denn als nun sich vielfach theilte
Auch der Menschheit Einer Stamm,
Nahm ein jedes Volk die Rebe
Mit in’s neue Heimatland,
Daß sie den Zerstreuten bleibe
Alter Bruderliebe Pfand.
Also ward der Wein an Blume,
Duft und Farbe mannichfach:
Doch wo immer er erglühet,
Hegt er noch die Himmelskraft,
Daß er Lieb‘ und Jugend wirket
Und die süßen Lieder schafft.
Griechenwein
Den ersten Preis dir, als dem unsterblichen,
Du Wein von Chios, welchen Anakreon
In Lauben schlürfte, dicht mit Rosen
Krönend das mählich erbleichte Haupthaar.
Den Arm, den rechten, schlang er von Lust durchglüht
Um der Geliebten jugendlich blühnden Leib,
Indeß die Linke träum’risch spielend
Ging durch des Barbitons Zaubersaiten.
Auch von dem Gastmahl rauscht mir die Sage zu,
Wo Sokrates als Meister in jeder Kunst
Mit Wein und Weisheit alle Freunde
Lächelnd bezwang bei des Tags Anbruch.
Noch spätre Lieder klangen dem Griechenwein
Und jenen Reben, die aus Sikeliens Au’n
Im Interamnerthal ergrünten
Und in Campaniens heißen Feldern.
Einst war ich glücklich! In dem Olivenwald,
Der Tiburs Bergjoch schmücket mit duft’gem Kranz,
Da las, Horaz, ich deine Lieder
Ueber des Anio schäum’gem Sturze.
Und glühend dankt‘ ich dort dem Falernerwein,
Auch dir, Mäcenas, der ihn dem Dichter gab,
Daß er in Weinglut sang die Lieder,
Welche die nordische Luft uns wärmen!
Schiras
Sprecht doch zuviel, ich bitt’euch sehr, vom Griechenweine nicht,
Als glühte Wein auf Schiras Au’n mit hellerm Scheine nicht!
Ein Hafis war im Perserland, der sang vom Wein durchglühet,
Ob besser sang Anakreon, fürwahr ich meine nicht!
Dem war der Wein sein Stern und Trost: war ihm ein Schenk gestorben,
Trink mich! So rief der Wein ihm zu, sei froh und weine nicht!
Wenn ihm das Liebchen untreu ward, so fand er Trost beim Becher:
Der bot ihm alle Freuden dar, wenn auch die eine nicht.
Denn ob Rubin in finsterm Schacht mit hellstem Lichte sprühet,
Doch wich der Wein in Dichters Aug‘ an Glanz dem Steine nicht.
Ob hell der Blick der Perserin aus dunkeln Brauen lohet,
Es überwand des Weines Glanz der Blick an Reine nicht.
Ob Würze strömt vom Rosenkelch, Jasmin gewaltig duftet,
Ihm blieb zurück vor allem dem des Weindufts Feine nicht.
Soll Hafis auferstehn, so ruft, o Houris, ihn zum Becher,
Sonst wecket ihr vom Todesschlaf ihm die Gebeine nicht.
Drum sprecht vom Griechenweine doch nicht allzuvollen Mundes,
Als glühte Wein auf Schiras Au’n mit hellerm Scheine nicht!
Rheinwein
Zu Ingelheim im Rheingau
Kaiser Karolus stand:
Weit gingen seine Blicke
Rings auf das schöne Land;
Die Sonnenstrahlen fielen
Auf Rüdesheim hinab,
Doch deckte Schnee die Halde,
Sie schien ein weißes Grab.
Da sah der Kaiser staunend
Wie schnell der Schnee entwich
Am Rande des Johannisbergs
Vom warmen Sonnenstich.
Ei, sprach bei sich der Alte,
Ein Segensland ist das:
Wo solche Kräfte wirken,
Da wächst auch mehr als Gras.
Kunrat, alter Kunrat,
Rief er dem Knappen zu:
Hast oft mir treu gedienet,
Mußt nochmals aus der Ruh.
Sattle deinen Renner
Morgen bei Tages Glanz:
Du sollst mir Botschaft werben
Zu Frankreichs Orleans.
Sage den guten Bürgern:
Man lobet euern Wein;
Des sähen wir einen Weinberg
Gern an unserm Rhein.
Einen Senker sollt ihr uns schicken:
Und wenn das Werk gedeiht,
Orlänner soll er heißen
Bis auf der Enkel Zeit!
Der Schnee, der ist zerflossen,
Da kommt der Kunrat heim,
Der Kaiser selbst im Nachen
Steuert nach Rüdesheim.
Da ward dein Reben, Orleans,
Gepflanzt in rheinisch Land:
Drum ist der Wein so königlich,
Ihn senkte Kaisers Hand.
Herbst war gekommen
Nun zum drittenmal,
Da jauchzt’ es um die Berge
Und in dem tiefen Thal.
Die erste Blume der Kelter
Der Kaiser selber trank:
Da ward ihm jung sein Alter,
Sein Leben zum Gesang.
Und was der Kaiser erfahren,
Spürt jeder Rheinlandssohn:
Wir sprechen kühn des Südens
Gepries’ner Traube Hohn.
Feurig, doch ernst und milde,
Kredenzt der Rhein den Saft! –
Feurig, ernst und milde
Blüht seiner Söhne Kraft.
Lacrima
Ein echter Sproß von königlichen Ahnen,
Der sonst als Jüngling glühte zornesroth,
Der nun das Herz auf seines Volkes Noth
Gewandt, und aufgerollt die Kriegesfahnen:
Das will an dich, o Greis Vesuv, mich mahnen!
Einst brachtest du, Verderber, glüh’nden Tod:
Nun kocht die Glut, die dir im Innern loht,
Den wunderbarsten Wein an Lavabahnen.
Freund, komm herauf! Und hier, dem Gipfel nah,
Ruh‘ unterm Friedensdach des Eremiten,
Und schaue Berg und Stadt und Golf von da.
Und wenn du hier den Wein dir lässest bieten,
Sprichst du: Ja, das ist Christi Lacrima –
Der wuchs nicht in den irdischen Gebieten!
Champagner
Laßt mich verknüpfen den Süden und Norden,
Lasset mich mit in den duftigen Reihn;
In der Champagne bin ich reif geworden,
Halb wohl auch rühm‘ ich mich Deutscher zu sein.
Rissen mich weg auch die fränkischen Siege,
Bin ich doch innerlich deutschesten Keims:
Stand doch als Wächter bei mir an der Wiege
Deutsch und gewaltig der Dom zu Rheims.
Aber das Freiheitsgefühl des Franzosen
Wehte mich an mit der fränkischen Luft!
Gern dem Gefängniß mag ich enttosen,
Strömen ins Freie den sprudelnden Duft;
Und auch den strengen Geistestyrannen,
Welcher die Sele gefangen hält,
Kühler Verstand! Dich ferne zu bannen,
Ist mein empörendes Sinnen gestellt.
Rasch und entzündend gebiet‘ ich dem Blute,
Daß es pulsend die Adern durchrollt:
Greise begab‘ ich mit blinkendem Muthe,
Aber zumeist sind die Frauen mir hold.
Selbst der nach Mahomets strengen Gesetzen
Meidet des Weines berauschende Kraft,
Läßt doch vom Franken sich willig beschwätzen,
Arglos zu trinken den perlenden Saft.
Strebst du nach ernster Gedanken Bewegung,
Platzen die schäumenden Perlen alsbald:
Doch so du willst, daß in freudiger Regung
Purpurnes Blut dir den Busen durchwallt;
Pochet das Herz dir mit bänglichem Klopfen,
Fasset das Leben mit Sorgen dich an:
Hei, laß donnernd springen die Pfropfen,
Sorgen zu bannen, da bin ich der Mann!
Dreimännerwein
Ein einzig Weinchen noch übrig ist,
Das hasset jeder gute Christ,
Der wird in unserm Vaterland
Gemeiniglich der Krätzer genannt:
Die Schwaben aber nennen ihn Seewein,
Die Hessen, weil er so lieblich, Schlehwein,
Die Berliner aber Grüneberger:
Der ist wie Essig nur etwas ärger.
Denn einst sind die Teufel gewesen voll Neid
Ob des Weinstocks himmlischer Herrlichkeit,
Wollten auch als unsres Herrgotts Affen
Ein eigen Getränke sich erschaffen:
Stahlen Reben aus Schlesien und von Konstanz,
Auch aus der Nied’rung des Beueler Lands,
Nahmen die mit in die Hölle herunter,
Da sollten die Reben nun wachsen munter.
Da war solch eine Säure von Gas,
Daß es der Beeren Süße zerfraß.
Die Traube sog Schwefeldünste ein:
Das machte, daß man bei solchem Wein
Noch immer muß nießen und immer husten,
Nach oben und unten mächtig prusten.
Sie nährten die Rebe mit Teufelsdreck,
Düngeten sie mit Wuchererspeck:
Daher der Wein, der von dort sich schreibt,
Wie Öl an dem Flaschenhals kleben bleibt.
Dieß Teufelsprodukt nun pflanzten sie ein
Zu Grüneberg, Konstanz und Beuel am Rhein.
Ein Ableger kam auch davon
In die heiligen Schatten von Bändlikon.
Drum kümmerte sich ein Botanikus,
Der den Wein ja auch anatomiren muß,
Und hat’s, weil’s ihm die Zunge verbrannt,
Vinum quod spielt auf der Zunge genannt.
Sonst meidet’s jeder fromme Christ,
Weil’s eben Höllenwachsthum ist.
[Schluß]
Geehrte Herren und Weinkollegen!
Hiermit erteil‘ ich euch den Segen.
Verleihet mir aufzuhören Vergunst,
Der Wein wird stärker als meine Kunst.
Wollen bei der Geschichte stehen bleiben,
Von dem Andern ein dickeres Büchlein schreiben.
Dadurch gelingt’s, daß man uns am End‘
Zum Professor Praktikus Oenologiä ernennt,
Oder ein würdig Geschenk uns spendet,
Ein Faß Johannisberger uns sendet.
Noch viel zu sagen wäre wohl,
Wie man den Wein recht trinken soll;
Doch Ihr versteht euch selbst auf’s Trinken,
Sehr Ihr nur Wein im Glase blinken.
Drum seid zum Schluß daran gemahnt,
Wozu ich Euch den Weg gebahnt:
Es ist die Oenologia
Eine Scientia praktika;
Nie kann’s an Licht darin Euch fehlen,
Wollt Ihr die rechte Praxis wählen.
Die rechte Praxis aber ist,
Wenn man mit voller Lust genießt,
Was uns aus Gottes eigner Hand
Als Quell der Freude ward gesandt.
Abendstille
Nun hat am klaren Frühlingstage
Das Leben reich sich ausgeblüht;
Gleich einer ausgeklungnen Sage,
Im West das Abendroth verglüht.
Des Vogels Haupt ruht unterm Flügel,
Kein Rauschen tönt, kein Klang und Wort;
Der Landmann führt das Roß am Zügel,
Und Alles ruht an seinem Ort.
Nur fern im Strome noch Bewegung,
Der weit durch's Thal die Fluten rollt:
Und Silber säumt sein flüssig Gold.
Dort auf dem Strom noch ziehen leise
Die Schiffe zum bekannten Port,
Geführt vom Fluß im sichern Gleise -
Sie kommen auch an ihren Ort.
Hoch oben aber eine Wolke
Von Wandervögeln rauscht dahin;
Ein Führer streicht voran dem Volke
Mit Kraft und landeskund'gem Sinn.
Sie kehren aus dem schönen Süden
Mit junger Lust zum heim'schen Nord,
Nichts mag den sichern Flug ermüden -
Sie kommen auch an ihren Ort!
Und du, mein Herz! in Abendstille
Dem Kahn bist du, dem Vogel gleich,
Es treibt auch dich ein starker Wille,
An Sehnsuchtsschmerzen bist du reich.
Sei's mit des Kahnes stillem Zuge,
Zum Ziel doch geht es immer fort;
Sei's mit des Kranichs raschem Fluge -
Auch du, Herz, kommst an deinen Ort!
Dietrich von Berne
Nun höre mich, Vater, nun höre mich Wort!
Nun hole mich heim zu dir.
Bin satt des Lebens und will nun fort;
Was soll der Alternde hier?
Mein dunkler Vater, nun höre geschwind,
Dich ruft dein gewaltiges Heldenkind,
Der alte Dietrich von Berne.
Seit ächzend die Mutter ans Licht mich gebracht,
Hab' ich nimmer dein Antlitz geschaut.
Nun komm, du dunkler Elfe der Nacht,
Vor dem den sterblichen graut!
Das Feuer, das du mir gegossen ins Blut,
Es lohet zu scharf, es verzehrt die Glut
Den alten Dietrich von Berne.
Bin werth, o Vater, in bin dein werth!
Genug nun hab' ich geschafft;
Es hat zum Tode mein Heunenschwert
Genug der Helden gerafft.
Mich scheuet der Tod, seit ich Hagnen schlug,
Du hole mich nun, das ist Ehre genug
Dem alten Dietrich von Berne.
Nicht blieb zu kämpfen ein Feind zurück,
Zu Berne steht fest mein Palast;
Die Ruhe, des weichen Alters Glück,
Ist meinem Marke verhaßt.
Wohl jag' ich den Ur in den finstern Wald,
Doch ist's zu gering mir, drum hole mich bald,
Den alten Dietrich von Berne.
So rief der König, er stand im Forst:
Das hörte der Vater bald:
Auf lauschte der Held, das Gezweige borst,
Ein Hirsch brach her aus dem Wald.
Wohl griff der Dietrich zum Waidgeschoß,
Doch hatt' er zur Stelle kein schnelles Roß,
Der alte Dietrich von Berne.
Und wie er sich umsah unmuthsvoll,
Da stand ein mächtiges Roß,
Deß ungeduldiger Hufschlag scholl
Und Schaum vom Gebiß ihm Floß,
War schwarz und glänzend: da schwang er sich auf,
Und spornt' es zum Jagen im schnellsten Lauf,
Der alte Dietrich von Berne.
Da schnaubet das Roß, daß Feuer und Rauch
Den offenen Nüstern entloht,
Und stürmet dahin wie ein Wüstenhauch,
Dem folger der schwarze Tod.
Da hebet sich jauchzend die Heldenbrust,
Da fühlet sich jung wie in Schlachtenlust
Der alte Dietrich von Berne.
Doch jäher und jäher nun wird der Ritt,
Vorbei jagt Felsen und Baum.
Wie könnten die Diener, die Rüden mit?
Nicht furchtet der straffe Zaum:
Es stürmet, das ist nicht Galopp und Trab,
Ist Windsbrautsausen: nicht kann er herab,
Der alte Dietrich von Berne!
Ihm schließt sich das Aug' und es starret das Blut:
Doch als er, betäubt noch, erwacht,
Da schaut er, und höher wächst ihm der Muth,
Den Vater, den Elfen der Nacht;
Der fasset die Hand ihm: wie fühlt er sich stark,
Wie schwill in den Knochen ihm jugendlich Mark,
Dem alten Dietrich von Berne!
So sprach der Vater: Mein stolzer Sohn,
Du hast dich in Ehren bewährt,
Wohl mußt' dich holen schon,
Schon rittst du ein Geisterpferd:
Drum auf, dich grüß' ich, Schwarzelfe der Nacht,
Nun jagst du mit mir in der wilden Schlacht,
Mein starker Dietrich von Berne!
Ein geistlich Abendlied
Es ist so still geworden,
Verrauscht des Abends Wehn,
Nun hört man allerorten
Der Engel Füße gehn,
Rings in die Thale senket
Sich Finsternis mit Macht -
Wirf ab, Herz, was dich kränket
Und was dir bange macht!
Es ruht die Welt im Schweigen,
Ihr Tosen ist vorbei,
Stumm ihrer Freude Reigen
Und stumm ihr Schmerzenschrei.
Hat Rosen sie geschenket,
Hat Dornen sie gebracht -
Wirf ab, Herz, was dich kränket
Und was dir bange macht!
Und hast du heut gefehlet,
O schaue nicht zurück;
Empfinde dich beseelet
Von freier Gnade Glück.
Auch des Verirrten denket
Der Hirt auf hoher Wacht -
Wirf ab, Herz, was dich kränket
Und was dir bange macht!
Nun stehn im Himmelskreise
Die Stern' in Majestät;
In gleichem festem Gleise
Der goldne Wagen geht.
Und gleich den Sternen lenket
Er deinen Weg durch Nacht -
Wirf ab, Herz, was dich kränket
Und was dir bange macht!
Einsamkeit des Dichters Braut
Einsamkeit des Dichters Braut,
Mutter Natur ihn so groß anschaut,
Geschichte, die Ahnfrau, hebt ihn hinauf
Ueber des Lebens gemeinen Lauf -
Da rauscht das Lied aus starkem Busen -
Die drei, das sind die ächten Musen.
Ich ging durch stille Abenddämmerungen
Ich ging durch stille Abenddämmerungen:
Die stumme Flur entschlummerte schon mählich;
Die Vögel hatten, da sie tausendkehlig
Die Sonn' im Scheiden grüßten, ausgesungen.
Da hat ein hoher Klang sich aufgeschwungen
Von Abendglocken rings im Land vielzählig;
Da fühlt' ich mich im tiefsten Herzen selig,
Und Thränen sind ins Auge mir gedrungen.
O Glockenton! wie du an Gott zu denken
Uns aufrufst durch den trüben Erdenabend,
Will sich der Geist so ganz in Andacht senken.
Ein Ton nur klingt durch's öde Weltgetriebe,
Das sehnsuchtmüde Herz noch süßer labend:
O klinge fort, du Ruf der ewigen Liebe!
Petrus
Domine quo vadis?
Venio iterum crucifigi.
Weil verstockt der Jude Simon Roma's Götter hat geschmähet,
Weil verbotnen Bund er stiftet, Zwietracht in die Geister säet,
Weil er einen Missethäter aller Reiche König glaubt:
Geb' ich morgen Preis dem Volke an dem Kreuz sein frevelnd Haupt.
Kaiser Nero hat's gesprochen, Petrus kniet zu Nacht im Kerker;
Betend wächst des Greises Glaube, Himmelssehnsucht regt sich stärker;
Morgen wird das Wort erfüllet, das der Herr prophetisch sprach;
Fremde Hand wird einst dich gürten; Simon, folge dann mir nach!
Da - welch leis vorsichtig Klopfen? durch die Riegel ächzt die Feile,
Und die alte Pforte weichet vor dem eingeklemmten Beile -
Wird's zu lange dem Tyrannen? sendet er die Schlächter schon?
Nein, es spricht ein kühnes Wagstück seinem tollen Wüthen Hohn.
Freunde sind's. Die Christen lagen im Gebet an heil'ger Stätte,
Daß den alten treuen Diener noch einmal der Herr errette;
Doch umsonst Gebet und Zähre: Dießmal, ach, kein Engel naht -
Da beschließen Drei der Kühnsten frisch auf eigne Hand die That.
Stark wohl sind die Römerkrieger, Wache haltend vor den Thüren,
Stärker doch der Wein von Chios, den die Dreie mit sich führen.
Mächtig sind des Kerkers Riegel, doch dem Eifer allzu schwach -
Schau, mit stolzverklärten Blicken stehn die Drei schon im Gemach.
Rettung, Rettung, alter Vater! Stärker als der Tod ist Treue,
Unsrer Lieb' und Christi Kirche ist dein Haupt geschenkt auf s Neue.
Hier nur droht der Tod dir; auf denn, gürte deine Lenden, flieh,
Schiffe, stets bereit zur Abfahrt, triffst du in Puteoli.
Alter Jünger, kannst du wanken -den der Herr den Felsen nannte,
Der so eben in der Sehnsucht heil'gen Liebesflammen brannte?
Ja, er giet sich hin den Freunden, überrascht und halb im Traum;
Frei schon auf dem Forum steht er, und er selber glaubt es kaum.
Eilends zu der Pforte lenken nun die Vier die leisen Schritte -
Unterm Thore kurzer Abschied, Bruderkuß nach Christensitte,
Jene kehren zu den Ihren, Frohes kündend, schnell im Lauf,
Diesen nimmt die Nacht beschirmend in den weiten Mantel auf.
Auf der Gräberstraße zieht er, wegeweisend stehn die Sterne;
Nero's goldnes Haus verdämmert schon in nächtlicher blauer Ferne -
Aber hat die tiefe Mittnacht solcher leisen Wandrer mehr?
Ihm entgegen kommt ein Andrer auf dem schmalen Weg daher.
Und es graust dem Alten, seitwärts biegt er aus mit schwankendem Fuße,
Schnell vorüber an dem Fremden schmiegt er sich mit flücht'gem Gruße -
Grüßend schaut ihm Der ins Antlitz, daß der Sternglanz auf ihn fällt -
Petrus, wie doch starrst du seltsam? sprich, was deine Flucht verhält?
Auf des Mannes hoher Stirne glänzen blut'gen Schweißes Tropfen,
Wohl nicht von des Weges Mühe mag so bang das Herz ihm klopfen;
Bleich zum Tod das schöne Antlitz - Petrus, kennst du die Gestalt?
Schon einmal vor deinen Augen ist sie also hingewallt.
Grüßend neigt er sich zum Jünger, seiner Augen helle Sonnen
Sind von eines stillen Grames Regenwolken mild umronnen;
Fest nun ruhn sie auf dem Flüchtling - Petrus, kennst den Blick du nicht?
Schon ein Mal rief er dich Schwachen wieder zur vergeßnen Pflicht.
Ja, das ist der Herr! So stand er vor den ungerechten Heiden,
So blieb still und klar sein Antlitz mitten in den wilden Leiden.
Und der Jünger sinkt zur Erde, doch das Herz läßt ihn nicht Ruh,
Und er ruft: Mein Herr und Heiland! rede, wohin gehest du?
Und der Heiland spricht, das Auge unverwandt auf ihn gerichtet,
Mit dem Blick, der an der Tage letztem Falsch und Wahrheit sichtet:
Meine Kirche steht verödet, meine Treuen sind verirrt -
Zu der Stadt ist meine Straße, wo man neu mich kreuz'gen wird!
Und der Herr verschwand; doch eil'ger, als er erst den Tod geflohen,
Flieht der Jünger jetzt das Leben, dem des Meisters Blicke drohen.
Schnell den Lauf zurück gewendet, über Hellas graut es schon;
Nero's goldnes Haus erglänzt bald als goldner Sonnenthron.
Und die Sonne, die jetzt Freuden ausgießt über allen Landen,
Trifft die Christen laut noch jubelnd, den Apostel doch in Banden.
Lauter weinend sah sie Jene, als sie wieder sank zuthal,
Doch ein seligsterbend Antlitz traf am Kreuz ihr letzter Strahl.
Scipio
Schau dort den Mann! Er kommt gegangen,
Die Toga lässig umgehangen:
Das ist der große Scipio,
Dem sich Karthago gab verloren,
Vor dem von Roms geborstnen Thoren
Des Barkas grauser Enkel floh.
Es ist der Weg zum Kapitole,
Den er mit ruhmbeschwingter Sohle
Als Triumphator einst erstieg.
Er geht mit ernster Römersitte
Auch heut hinauf in festem Schritte,
Als führt' er eine Schar zum Sieg.
Und dennoch dürft' er heute zagen!
Mag jedes Haupt er überragen,
Die Mißgunst haßt sein großes Thun.
Er ist verklagt als Landverräther,
Und vor dem Hof der greisen Väter
Erhebt die Klage der Tribun:
Wir haben Geld dir reich gesendet;
Es ward auf diesen Krieg verschwendet
Des Volkes Schweiß und letzte Kraft.
Dir haben wir uns überlassen,
Du hast verstreut des Silbers Massen:
Wohlan, so gieb uns Rechenschaft!
Stolz giebst du reiche Pracht zu schauen;
Rings an den Bergen, auf den Auen
Wird Oel und Korn und Wein dir reif.
Wer mag dem Zweifel da gebieten?
Und drum im Namen der Quiriten
Verklag' ich dich auf Unterschleif!
Da hebt sich Scipio vom Sitze,
Es bleiben seines Auges Blitze
Mitleidig auf dem Kläger ruhn.
Aufschlägt er eine Bücherrolle,
Und mild, als wüßt' er Nichts von Grolle,
Beginnt er seine Rede nun:
Leicht wär's, ihr Väter, mir zu rechten!
Ich schrieb im Feld in heißen Nächten
Dies Rechnungsbuch mit eigner Hand.
Von meinem Quästor untersiegelt,
Deß Lippe jetzt der Tod verriegelt,
Ist's meiner Ehre gültig Pfand.
Und weil mich die Erinn'rung freute.
So hielt ich's aufbewahrt bis heute:
Nun aber, dünkt michs, ist's genug.
Zu fragen nach Beweis und Pfande,
Es wäre mir und Euch zur Schande -
Dies meine Antwort: kommt zum Spruch!
Er schweigt und reißt das Buch in Fetzen
Und wirft es zu des Hofs Entsetzen
Auf's Kohlenbecken Stück für Stück.
Dann schürt bedachtsam er die Flammen,
Bis es zu Asche fiel zusammen,
Und geht zu seinem Sitz zurück.
Still wird's - dann jauchzt es in der Runde:
Frei, frei von Schuld! aus jedem Munde;
Der Kläger bebt in banger Scham.
Doch in dem wilden Beifallrufen
Neigt sich der Held und geht die Stufen
Hinab so ruhig, wie er kam.
Segen der Krankheit
Wie dank ich euch, ihr Krankheitstage,
Die ihr so hoch gesegnet seid!
Die ihr uns trennet von der Plage
Der irdischen Beweglichkeit!
Wo still der Geist bei sich zu Hause,
Der sonst sich stachelnd vorwärtstreibt,
Wo von dem wilden Lebensbrause
Ein Flüstern nur noch übrig bleibt.
Und ist die Welt von dir geschieden,
Nach innen wende Aug' und Sinn;
Aus Angst entflieh zu tiefem Frieden,
Aus Schmerz zur ew'gen Wonne hin.
Wie eine Mutter voll Erbarmen
Die Schmerzen stillt dem kranken Kind,
So hält dich Gott in milden Armen,
Die nie dem Flehn geschlossen sind.
Es liegt vom Ostmeer tief umfangen
Die alte Stadt im Wunderglanz,
Und ruht das Meer, siehst du sie prangen
In Trümmern schön und herrlich ganz.
Das ist dein eigen Innenleben;
Ist nur sein Spiegel still und gleich,
Tief unten schaust du sich erheben
Das sonst verborgne Gottesreich.